…wenn´s ankommt. Sagt ein geflügeltes Wort. Wenn die Botschaft verstanden wird (und nicht schon, wenn sie gesendet wird). In vielen Nachrichtentexten aber stecken Verständnis-Barrieren. Die nur knacken kann, wer bereits bestens informiert ist. Viele Hörer sind das nicht. Den nötigen Kontext haben sie nicht parat (zumindest nicht in der Hör-Situation). Folge: Die Texte “kommen nicht an”…
Nachrichten informieren. Das ist die Idee. Oft aber tun sie das gerade nicht. Sie errichten Hürden – z.B. in Form von Begriffen:
Fracking, Planking & Social Freezing
Kein durchschnittlicher Hörer kann auf Anhieb sagen, was das ist. Der Nachbar nicht, der gerade von Schicht kommt, ebenso wenig die Bäckersfrau, die morgens um halb Sieben ihren Laden aufschließt. Wir täuschen uns, wenn wir annehmen, unsere Hörer hätten auf Zuruf alle tagesaktuellen Stoffe abrufbereit. Und könnten neue Entwicklungen auf der Stelle einbauen in das, was sie zum Thema schon wissen. Wie sollten sie das auch, haben sie doch schon genug mit ihrem persönlichen Leben zu tun.
Zeitnaher Schienenersatzverkehr und voller Lohnausgleich
Viele Hörer gehen uns buchstäblich im Laufe der Nachrichten verloren. Wenn sie hängenbleiben an Begriffen und Konstruktionen, die sich nicht selbst erklären. Und während sie sich noch einen Reim zu machen versuchen, läuft der verbleibende Text ab wie ein Uhrwerk. Wahrgenommen wird er nicht mehr. Hörer scheitern an:
# Polit-Sprech und Behördendeutsch
# Fachbegriffen, Abkürzungen und Nominalstil
# langen, “überfüllten” und gedrechselten Sätzen
# an geteilten Verben und sprachlichen Verdichtungen
# daran, dass Meldungen zu selten und zu wenig Kontext mitliefern.
Grexit, Schweinexid und das Epizentrum des Bebens
“Unsere Hörer sind doch nicht dumm”, halten Journalisten dann entrüstet dagegen, wenn man sie auf Verständnisbarrieren in Texten anspricht. Natürlich sind unsere Hörer tüchtige und aufgeweckte Menschen, die täglich ihren Mann oder ihre Frau stehen. Aber haben wir ihre Hörsituation ausreichend im Blick?
Wie ist das, wenn morgens die Nachrichten laufen, im Bad, zu quasi nachtschlafender Zeit, nach (viel zu) wenig Schlaf, mit maulendem Nachwuchs am Frühstückstisch, angenervt im Auto auf dem mühsamen Weg zur Arbeit? Kann unser Hörer hier auf Anhieb “schalten”? Zieht er die richtigen Register? Versteht er, was wir sagen wollen?
Frische Temperaturen und eingeräumte Schuld
Journalisten sind (oder waren) häufig Teil des studentisch-akademischen Milieus. Zu ihren Hörern sprechen sie wie zu Ihresgleichen. Und verkennen dabei auf dramatische Art und Weise die soziale Wirklichkeit vor der Haustür!
Der Baggerfahrer vor dem Funkhaus und die Blumenfrau am Bauernmarkt – wollen wir auf sie als Hörer verzichten? Auf Einpendler und Neubürger, die keinen Schimmer haben können von den Themen ihrer Stadt? Auf den Nachbarn mit “Migrationshintergrund”? Auf junge Leute, die statt der “Bravo” nun erstmals den “Spiegel” aufschlagen und unsere Nachrichten bewusst wahrzunehmen beginnen? Wollen wir sie gleich wieder ausschließen? Jede Nachrichtensendung hat einen ersten Hörer!
Anhaltende Talfahrt auf offener Straße
Nachrichten müssen mühelos, auf Anhieb und voraussetzungsfrei zu verstehen sein. Für Jedermann und zu jeder Zeit. Dazu brauchen wir eine neue Sprach-Kultur im Radio! Sprache, die jeden mitnimmt und niemanden ausschließt! Barrierefreie Sprache!
Sprache, die nichts voraussetzt, sondern auf den Hörer zugeht. Die Informationen in verständnisgerechte Portionen auflöst. Die sich leicht sprechen und zugleich leicht hören lässt. Die viel erklärt: Dazu braucht es oft nur einen mit “also” angehängten Nebensatz, manchmal aber auch mehr als nur den einen dürren “Mallorca-Satz” am Ende der Meldung. Und die Verständnis unterstützt – mit Kontext, dem Warum und Wozu und der zeitlichen Dimension (“Was ist der nächste Schritt?”). Die Hörer nicht mit Fakten vor den Kopf stößt, sondern Wissen “teilt”.
Wie lässt sich das in der Praxis verwirklichen?
Mit einem raschen Perspektiv- und Seitenwechsel bei jeder einzelnen Geschichte: Was, wenn ich selbst der Hörer meiner Nachrichten wäre? Wenn ich sie nicht mit professionellem Ohr hören würde, sondern quasi im Freizeit-Modus (wie uns das zuweilen im Urlaub gelingt).
Und mit einem neuen Workflow! Der weg geht vom “Meldungen schreiben” hin zum “Storys erzählen” – in Augenhöhe zum Hörer, zu dem wir 1-zu-1 sprechen, “als säße er mit am Tisch” (Walther von LaRoche). Weg vom Paste & Copy hin zu freiem Formulieren aus dem Kopf (und nicht auf Papier bzw. am Bildschirm)!
Nicht zuletzt können uns diese Fragen an uns selbst helfen:
# Wie würdest Du die Geschichte abends Deinem Schatz erzählen?
# Wie müsstest Du die Geschichte bringen, wenn Du willst, dass Deine Oma sie versteht?
# Und wie, wenn sie der kleine Neffe begreifen will?
Erzähl-es-mir-als-sei-ich-vier wäre gar kein schlechter Anfang…