Montag, 27.8.2012, 18.30 Uhr. In der Münchner Innenstadt wird eine Fliegerbombe aus dem 2.Weltkrieg gefunden. Der Stadtteil Schwabing wird großräumig abgesperrt, 2.500 Menschen werden evakuiert. Der Sprengmeister, ein erfahrener und besonnener Mann, wirft gegen 22 Uhr das Handtuch: “Die hat einen chemischen Langzeitzünder, die entschärfe ich nicht. Ich bin doch nicht lebensmüde”. Am Morgen danach: Ich habe es eilig. Vor dem Sprung ins Auto um 7.30 Uhr ein kurzer Blick auf die Webseiten von fünf wichtigen Münchner Radiosendern. Ich will wissen: Was ist der aktuelle Stand der Dinge? Ist die Bombe entschärft? Oder ist die Leopoldstrasse noch immer gesperrt? Das Ergebnis: Mehr als ernüchternd!
# Antenne Bayern, Reichweiten-Rekordinhaber in der jüngsten MA 2012 Radio II (und nur 12 Autobahn-Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt!) hat zwei spröde dpa-Texte zum Thema auf der Seite mit offensichtlich überholtem Sachstand; Aufmacher ist online eine Vorausmeldung auf “GfK veröffentlicht Daten zur Verbraucher-stimmung”!
# Bayern 3, öffentlich-rechtlicher Hauptwettbewerber, versteckt seine News in einem blassen Infokasten (der in der Standardeinstellung Wetterinfos hat) – die dürre Newsmeldung selbst kommt von Bayern 5 (dem Infokanal des Bayerischen Rundfunks);
# Radio Gong 96,3 hat garnichts zum Thema (oder sonst zum tagesaktuellen Geschehen) auf der Seite (unter der Rubrik “News” findet sich Promi-Klatsch);
# Fehlanzeige ebenso auf Energy München. Unter “News” sind Meldungen gelistet u.a. zu “Tattoo-Sünden: Im Sommer kommen sie zum Vorschein” oder “Eis: Mach´s Dir selbst”;
# Einzig Radio Charivari hat substantiellen Stoff vom Bombenfund auf seiner Site – auf der Homepage durch einen rot unterlegten Kasten groß aufgestellt und mit eigenen Fotos (an anderer Stelle wird zusätzlich auf das Webangebote der tz verlinkt, der Boulevardzeitung aus dem Verlagshaus, in dem auch Charivari sitzt).
An diesen Beispielen wird einmal mehr deutlich: In Sachen Online-Aktualität agieren viele Programme verzagt und kraftlos!
Ein Paradox: Auf Radio-Konferenzen und -podien dreht sich Alles um die Zukunft des Radios und um seine Rolle im Medienmix des Hörers. Zugleich geben viele Programme ihr wichtigstes Pfund aus der Hand, Tagesaktualität und Regionalität – jedenfalls auf ihren Online-Präsenzen.
Wann, wenn nicht bei Großlagen, also wenn der Mediennutzer nachdrücklich Informationen sucht, will das Radio online punkten? Was soll der Hörer davon halten, wenn er auf der Suche nach frischem Stoff zum Thema auf der Website “seines” Programms nur dürre Agenturmeldungen findet (und die erst nach einigem Herumklicken, denn News werden allzumeist geradezu versteckt), oder aber erst gar keine News im klassischen Sinne angeboten werden?
Informationskompetenz wird er woanders suchen! Lokale Kompetenz ebenso (was eine Fahrlässigkeit, in den Online-Texten schlicht davon zu sprechen, die Bombe liege “im Münchner Stadtteil Schwabing”. Geht das nicht genauer? Betroffen ist u.a. der Verkehrsknotenpunkt “Münchner Freiheit”, auf dem Fundort stand bis vor kurzem die Szenekneipe “Schwabinger 7” – ungenutzte Chancen en masse, an das Thema Farbe zu bekommen).
Radio-Webseiten brauchen ausgewiesene, leicht auffindbare Flächen für starke und gut bebilderte News (HIT RADIO FFH macht das schön vor, auch der Berliner Rundfunk 91.4 zeigt hier Flagge, wenngleich weniger attraktiv für´s Auge) oder mindestens einladende (!) Teaser an prominenter Stelle auf der Homepage, die mit einem (!) Klick auf Nachrichtenseiten führen (wie z.B. bei Life Radio Oberösterreich).
Wenn nicht, dann mag das Radio vielleicht nicht “untergehen” – ich jedenfalls mag dann auf Radiokongressen und -tagungen auch nichts mehr hören á la “Hat das Radio eine Zukunft?”
Sehr gute Anmerkung und ein wertvoller Hinweis, wie Radio seine Kompetenz und Marke ins Netz verlagern sollte. Handlungsbedarf ist sofort, sonst kommt keiner mehr auf die Idee, im Falle eines außerordentlichen Ereignisses für weitere Infos die Homepage seines Senders aufzusuchen….